Der stillste Raum der Schweiz

Ein Abenteuer in die Welt der Akustik

Mikrofonkapsel
Der Stillste Ort der Schweiz Absorber

Abb.Foto Fabrizio Di Grazio Akustikabsorber

Polizeisirenen ertönen im Hintergrund, mit dem vorbeifahren des Einsatzfahrzeug wird das Signal immer lauter, dann wieder leiser bis es langsam vollständig erlischt. Gleichzeitig ist ein Hubschrauber zuhören wie es in mehrere hunderte meter Entfernung über die Häuser fliegt und ein Bauarbeiter hämmert mit einem Presslufthammer am rechten Bordstein. Stadtleben, wer kennt es nicht? Klar ist, Stille hört sich anders an.

WIE KLINGT STILLE EIGENTLICH

Hierzu reist man idealerweise im eidgenössischen Institut für Metrologie Bern (Metas), dort kann man genau diese Frage beantworten.
Durch einen ca. 2 Meter tunnelähnlichen Gang gelangt man am stillsten Ort der Schweiz. Mithilfe eines elektrischen Schalters schließt eine auf Schienen gefahren Tür den Gang. Mit dem Verschließen der Tür hört man nun endlich die Stille. Wie in einem Flugzeug herrscht hier ein seltsamer Druck in den Ohren. Sämtliche Vibrationen und Schall von außen und aus dem Nebenzimmer wie Ventilatoren und Computerlüfter, die bis vor kurzem deutlich hörbar waren, sind völlig verschwunden. Wie ist das möglich? Mehrere Meter breite Stahlbetonwände, ein auf Federn gelagertem Boden und eine Raum-in-Raum-Konstruktion entkoppeln diesen Ort von der Außenwelt.

Der Stillste Ort der Schweiz Drahtseil gespannter Boden

Betretbar ist der Raum nur auf einen aus Drahtseil gespannten Boden, nach unten geht es noch einige Meter weit.

Der Stillste Ort der Schweiz Wandabsorber

Die Pyramidenförmige Glaswolle-Absorber an den Wänden, Decke und Boden sorgen für eine nahezu vollständige Schallabsorption. Hier herrschen messbare Werte unter 0 dB. Aber wie kann etwas leiser als 0 dB sein? Ganz einfach: 0 dB ist die Hörschwelle, die für das menschliche Ohr wahrnehmbar ist, was aber nicht bedeutet, dass es keine leiseren Geräusche gibt. Deswegen hören Hunde zum Beispiel, dass jemand vor der Eingangstür ist, noch lange bevor es sein Herrchen hört.

Im Akustiklabor Metas wird die Schalldichtheit nur erreicht, weil von außen wirkenden Schallwellen durch die räumliche Entkopplung nicht übertragen werden. Die im Raum entstehenden Klänge und Geräusche werden anders als in normale Zimmer an den Wänden nicht reflektiert. Die pyramidenförmigen Glaswollelementen, absorbieren die eintreffenden Schallwellen, was dazu führt, dass fast nur Direktschall im Raum hörbar ist.

Der Stillste Ort der Schweiz Mikrofonkapsel

Ein Messmikrofon und ein Lautsprecher ist alles, was im Raum zu sehen ist, dies ist Voraussetzung, denn jedes zusätzliche Objekt würde die Messung verfälschen, selbst das Mikrofon ist genormt.

WOZU IST EIN SOLCHER RAUM GUT?

Es eignet sich perfekt für Schallmessungen, da diese nicht durch Reflexionen verfälscht werden. Schallmessgeräte werden hier geprüft und kalibriert, Feuerwehrsirenen und ähnliches wird getestet, und erst nach der Kontrolle freigegeben. Auch um empfindlichen Hörgeräte zu kalibrieren und zu testen ist der Raum bestens geeignet.

ALLES REINE PHYSIK

Um die Funktion und Wirkungsweise verständlicher zu erklären, müssen wir erstmal verstehen, dass Schallwellen ähnlich wie Wasserwellen sich ausbreiten, auf Oberflächen treffen und von dort dann wieder zurück reflektiert werden.

Jeder, der schon einmal ein Echo in den Bergen gehört hat, kennt diesen Effekt. In einem Raum geschieht das gleiche, nur dass die Verzögerung des von den Wänden reflektierten Schalles zu den Ohren kürzer ist. Deshalb kann z.B. in einem möblierten Wohnzimmer das Echo nicht so deutlich herausgehört werden wie in den Bergen, weil das Gehirn aufgrund der geringen Entfernung nicht zwischen Direktschall und Reflexion (Erstreflexionen und Nachhall) unterscheiden kann. Erst bei einem Zeitunterschied von etwa 0,3 Sekunden können wir erkennen, dass wir es mit zwei verschiedenen Signalen zu tun haben.

Das bedeutet, dass wir ein Signal immer mehrmals hören und es als ein einziges Signal wahrnehmen. Unser Gehirn ist daran gewöhnt, ein akustisches Signal mehrmals zu hören, ganz gleich, ob es sich um Musik, Gespräche oder etwas anderes handelt. Doch genau das passiert im Akustiklabor nicht, die an den Wänden ankommenden Schallwellen werden verschluckt (absorbiert). Unser Gehirn ist daran nicht gewöhnt, und das führt zu Verwirrung, den hinzu nutzen wir die Räumlichkeit auch zur akustischen Orientierung.

Eine langanhaltende Absenz von akustischen Reizen kann sogar zur sensorischen Deprivation führen, die sich in Denkstörungen oder Halluzinationen äußern können.
Christian Hof, Leiter des Akustiklabors, erklärt: «Das Gehirn kann mit dem Null-Echo nicht umgehen, was auch den Ohrendruck und die Angst auslöst.

KLEINE EXPERIMENTE

Interessant wird es, wenn man sich mit jemandem im Raum unterhält, es reicht, dass sich die Person beim Sprechen nur mit dem Kopf zur Seite dreht, und plötzlich scheint es, als würde man meterweit von ihr entfernt sein. Besonders aufregend ist es, wenn Musik über zwei Lautsprecher abgespielt wird und dabei die Phase eines der beiden Signale um 180 Grad invertiert.

Wenn man sich nun ein paar Zentimeter von der Mitte entfernt, hat man das Gefühl, einen einzigen Kopfhörer in einem Ohr zu haben und im anderen Ohr nichts zu hören. Bewegt man sich nur einige Zentimeter in die andere Richtung als ob der Kopfhörer jetzt im andren Ohr wandert. In der Mitte vom Stereodreieck hört man fast nichts, außer wie ein schrilles Signal vom linken in dem rechten Ohr wandert und umgekehrt. Ein sehr seltsames und ungewohntes Gefühl. Genau beschreiben kann man es nicht, weil es kaum mit etwas vergleichbar ist. Vielleicht gibt es aber die Möglichkeit in der Zukunft an einem Tag der offenen Tür dies selbst zu testen.

Der Stillste Ort der Schweiz Gesamtansicht

FAZIT

Nach solch einer Erfahrung ist ersichtlich, dass Entspannung beide Extreme ablehnt, weder eine vollständige Absenz noch eine Überexposition an akustischen Reizen ist für uns langanhaltend geeignet. Beides ist eine Belastung für unser Gehirn.
Als Richtwert vielleicht noch interessant zu wissen: Zuhause im Schlafzimmer sind immerhin noch circa 25-30 dB messbar und man empfindet es als still, auch wenn es eigentlich gar nicht wirklich still ist. Erst nach einer Absenz an akustischen Reizen wird einem bei der erneuten Aussetzung bewusst, wie viele Informationen unsere Ohren im Unbewusstsein Tag täglich an unserem Gehirn weitergeben.

Deswegen ist es empfehlenswert, unser Gehör nach längeren Aussetzungen an last reichen Ereignissen wie Maschinenlärm, Musik, oder Verkehrslärm eine dementsprechende lange Regenerier Phase zu gönnen. Oft unterschätzt man Lautstärken, z.B. kann ein schreiendes Baby Pegeln von 80 bis 100 dB auf einer kurzen Distanz erreichen, wobei schon 85 dB über einen längeren Zeitraum zu Gehörschäden führen können.

Mit dem richtigen Schutz und durch das Beachten von Regenerationszeiten können langanhaltende Gehörschäden verhindert werden und die Funktion der Ohren bis zum hohen Alter gewährleistet werden. Gut geeignet dafür sind Ohrstöpsel, die kann man problemlos in der Hosen- oder Handtasche mit sich führen und bei Gebrauch leicht einsetzen. Das tut den Ohren gut und ist sicherlich auch der gesunden Entspannung dienlich.

Denn aus der Stille dieses Raumes kann man flüchten, doch vor der Taubheit aber nur schwer.

#Protectyourears!

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